400 Jahre Jagdhaus 1602 – 2002

Eine Dokumentation von Rektor a.D. Karl Bruckner†

Vorgeschichte und Entstehung

Unser Heimatdorf Sandweier, das in einer Urkunde vom 30. Januar 1308 als „Wilre“ erstmalig genannt wird, gehörte wohl damals schon zur Herrschaft der Markgrafen von Baden. Im Stollhofener Lagerbuch von 1511 – Sandweier war bis 1791 Teil des Verwaltungsbereichs des markgräflichen Amtes Stollhofen – sind mehrere herrschaftliche Güter erwähnt, so der Schickenhof, der Gülthof und der für unsere Aufzeichnung besonders interessante Schafhof. Dieser umfasste schon damals 144 Jeuch (=Morgen) Ackerland, 4 Tauen Matten und 2 Bünde Gemüse- und Krautgärten. Seine Bezeichnung behielt er wegen seiner Bedeutung für die Schafzucht und -haltung bis ins 18. Jahrhundert. Die Größe seiner „Hofraithe“ mit Garten wird im Zusammenhang mit einer Versteigerung der Pacht im Jahre 1794 mit „1 Morgen, 2 Viertel und 28 Ruthen“ angegeben. Das dürften nach heutigen Maßen rund 54 Ar gewesen sein, also schon eine recht ansehnliche Größe. Der an ihrer westlichen Seite gelegene Schafstall mit Futtergang und Scheune hatte eine Länge von ca. 50 Metern und war etwa 15 Meter breit. Die o.a. Beschreibung stellt auch fest, dass bis zu 450 Schafe gehalten werden können.

Die Markgrafschaft Baden hatte sich 1533 – 2 Jahre später durch einen Erbvertrag bestätigt – in die Markgrafschaften Baden-Baden und Baden-Durlach getrennt. Im Jahre 1577 übernahm Philipp II. die Regentschaft in Baden-Baden und nach dessen Tod 1588 sein Vetter Eduard Fortunat. Hatte schon Philipp II. durch prunkvolle Hofhaltung der Markgrafschaft eine große Schuldenlast aufgebürdet, so vergrößerte diese sein Nachfolger ins fast Unermessliche durch sein ausschweifendes Leben. Letztendlich hatte er sogar vor, die Markgrafschaft an die reiche Augsburger Kaufmannsfamilie Fugger gegen eine jährliche Abfindung zu verpfänden. Doch da schritten seine Verwandten aus Baden-Durlach ein. Der dortige Markgraf Ernst Friedrich  marschierte 1594 in Baden-Baden ein und ließ sich huldigen. Eduard Fortunat musste fliehen, und Ernst Friedrich übernahm die Verwaltung der Markgrafschaft Baden-Baden. Diese von den Historikern „die oberbadische Okkupation“ genannte Vereinigung der beiden Markgrafschaften dauerte bis 1622. Allerdings starb Markgraf Ernst Friedrich schon 1604 und sein Bruder Georg Friedrich übernahm das Szepter bis zur Schlacht bei Wimpfen am 26. April 1622, die er auf der Seite der Protestanten gegen Marschall Tilly verlor. Nun konnte der Sohn Eduard Fortunats Markgraf Wilhelm sein ihm zustehendes Erbe übernehmen. Die Leidenschaft zur Ausübung der Jagd war bei beiden markgräflichen Linien sehr ausgeprägt. Dabei kam es zu jener Zeit auch sehr häufig zu Jagdunfällen mit tödlichem Ausgang. Der Vater des oben genannten Markgrafen Ernst Friedrich, Markgraf Carl II. (1553 – 1577) hatte seine Residenz ursprünglich in Pforzheim. Im Jahre 1565 erbaute er sich in Durlach seine geräumige „Carlsburg“ und verlegte damit seinen Regierungssitz nach dort. Ein zeitgenössischer Chronist gibt als einen der Gründe dafür an, dass sich die Pforzheimer Bürger weigerten, bei einer vom Markgrafen großangelegten Treibjagd als Wildtreiber zu dienen. Diese Jagdleidenschaft hatte wohl auch sein Sohn Ernst Friedrich geerbt. Vor allem liebte er die Entenjagd am damals noch zu einem großen Teil vorhandenen Landsee, einem Überbleibsel des vorgeschichtlichen Kinzig-Murg-Flusses. Um eben dieser seiner Lieblingsbeschäftigung frönen zu können, ließ er sich 1602 auf der „Hofraithe des Schafhofes“ in Sandweier ein kleines, aber schmuckes Jagdhaus erbauen. Der äußerst imposant gestaltete Eingang mit seinen spätgotisch-renaissancen Stilelementen läßt auf jeden Fall die Vermutung zu, dass es sich bei dem nun 400 Jahre alten Gebäude ursprünglich um ein Jagdhaus handelte. Sicherlich diente es kurze Zeit später, als man begonnen hatte, den sumpfigen Landsee zwischen Sandweier und Oos trocken zu legen, als „Forstei und Meierei“, d.h. als Verwaltungsgebäude für die herrschaftlichen Güter. Dass damit aber die Freude an der Jagd im markgräflichen Haus keineswegs zu Ende war, beweist die Tatsache, dass man um 1697 plante, in Rastatt ein Jagdschloss zu bauen und diesem ein weitläufiges Jagdgehege anzufügen, den sogenannten „Thiergarten“.

Planung Jagdgehege

Planung Jagdgehege

Dieser sollte, wie die als Fotokopie in unserem Heimatmuseum gezeigte Karte bestätigt – das Original befindet sich im Generallandesarchiv in Karlsruhe (HfK V9) – das gesamte Gebiet zwischen Rastatt, Kuppenheim, Bühl und Stollhofen umfassen. Sandweier, auf der Karte „Sand-Weyer“, befindet sich nahezu im Zentrum dieses Areals. Seine Gemarkung wäre vollständig in den geplanten Tierpark gefallen.

Landsee - Die Kinzig- Murg-Rinne

Landsee – Die Kinzig- Murg-Rinne

Wie die Karte zeigt, sollte das riesige Gehege mit Holzpalisaden und Brettern eingezäunt werden, damit das gejagte Wild nicht aus dem Jagdgebiet entfliehen konnte. Das Projekt kam allerdings nicht zur Ausführung, denn der damals regierende Markgraf Ludwig Wilhelm, der „Türkenlouis“, ließ sich in Rastatt das großartige Schloß bauen und verlegte seinen Wohn- und Regierungssitz nach Rastatt. Ein Tiergehege in ähnlicher Form aber wesentlich kleiner wurde dann 1756 – 1772 in der Geggenau verwirklicht. Doch nun zum Jagdhaus selbst. Es war ein einstöckiger Steinbau aus Bruchsteinen, zu jener Zeit schon ein Zeichen von gewisser Bedeutung des Gebäudes. Portal und Fenstergesimse aus rotem Sandstein sind besonders hervorstechend. Im Türsturz ist die Zahl 1602 eingemeißelt. Darüber das badische Wappen. Bei den Fenstern ist die Mittelstütze leider entfernt. Wir kennen den Grundriß des Hauses aus einer maßstabgerechten Zeichnung des Jahres 1803 aus dem Generallandesarchiv Karlsruhe. Der hier angegebene Backofen auf der Südseite des Jagdhauses dürfte ursprünglich noch nicht vorhanden gewesen sein. Das Haus überstand den 30jährigen Krieg und auch die Verwüstungen, die die Franzosen im Jahre 1689 im Zusammenhang mit dem pfälzischen Erbfolgekrieg in unserer Heimat anrichteten. Wie Rastatt und Baden-Baden ging damals auch Sandweier in Flammen auf. Nur der Steinbau des Jagdhauses widerstand. Allerdings ist sicher der Dachstuhl nicht verschont geblieben, denn der heutige barocke, mit viel Holz konstruierte sog. Kehlbalkendachstuhl dürfte erst Anfang bis Mitte des 18. Jahrhunderts aufgesetzt worden sein. Er hat letztlich den Ausbau des oberen Stockwerkes, der allerdings erst nach dem ersten Weltkrieg erfolgte, ermöglicht.

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