Zur Geschichte der Hebammen in Sandweier

Zur Geschichte der  Hebammen in Sandweier

von Dr. Kurt Hochstuhl

Der Beruf der Hebammen ist so alt wie die Menschheit selbst. Schon immer halfen Frauen anderen Frauen bei der Entbindung und kümmerten sich um die Erstversorgung der Neugeborenen. Das erste bekannte Hebammenlehrbuch stammt aus Griechenland und wurde um 117 n. Chr. von einem gewissen Soranos in Ephesos verfasst. Wie alle heilkundigen Frauen gerieten auch die Hebammen immer wieder in den Verdacht, mit übernatürlichen Mächten zu paktieren, ja sogar die Hilfe des Teufels in Anspruch zu nehmen. Sie riskierten mehr als andere Personen, Opfer der Hexenverfolgung zu werden.

Schon früh erließ die fürstliche Verwaltung so genannte Hebammenordnungen, die die Tätigkeit, Pflichten und Aufgaben der Hebammen regelten. Aus Konstanz sind aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, aus Freiburg aus dem Jahre 1510 solche Hebammenordnungen bekannt. Schon im 17. Jahrhundert war mindestens eine Hebamme pro Gemeinde vorgeschrieben. Ihre Tätigkeit galt als „ein christlicher und löblicher Beruf durch welches Hülff alle Menschen an die Welt gebohren werden“, wie die baden-durlachische Landesordnung aus dem Jahre 1654 ausdrücklich betonte. Zu den christlichen Pflichten der Hebamme bei den gebärenden Frauen gehörte, dass sie „in wahrer Gottesforcht … den Allmächtigen um seine Gnade, Segen und Gedeyen zu der Geburt“ anrief. Jede Hebamme besaß das Recht zur Nottaufe, sollte es zu lebensgefährlichen Komplikationen bei der Geburt kommen.

Die Hebammen waren Teil der kommunalen Fürsorge. Wie der Dorfbüttel, der Polizeidiener, der Straßenwart, die Marksteinsetzer und die zahlreichen Viehhirten gehörten sie zu den Gemeindeämtern, deren Besetzung im Verantwortungsbereich der Bürger lag. Während die von Männern ausgeübten Gemeindeämter bei der am Dreikönigstag eines jeden Jahres stattfindenden Gemeindeversammlung aller Gemeindebürger zur Diskussion und Neubesetzung anstanden, geschah dies für die Hebammen in einer Versammlung aller verheirateten und verwitweten Frauen des Dorfes. Auch wenn zu dieser Versammlung der Pfarrer und der Schultheiß einluden und zusammen mit den Gerichtsleuten daran teilnahmen, treten uns hier die Frauen des Ortes als selbstständig handelnde Rechtssubjekte vor Augen. Allein ihr Votum entschied über die Annahme oder die Ablehnung der Kandidatin für diese Aufgabe. Die Bedeutung der Hebamme innerhalb des gemeindlichen Sozialsystems kommt auch schon darin zum Ausdruck, dass sie bereits in den ältesten überlieferten kommunalen Dokumenten Erwähnung finden. In den seit 1727 überlieferten Gemeinderechnungen werden die Ausgaben der Gemeinde für die Hebamme akribisch festgehalten. Gesellschaftlicher Höhepunkt und zugleich Abschluss der Wahlhandlung bildete ein Vesper und ein Trunk für die Versammlungsteilnehmerinnen, die aus der Gemeindekasse bezahlt Wurden. Zumindest in dieser Hinsicht standen die Frauen ihren Männern in nichts nach, wurde doch auch jede Rüggerichtsversammlung mit dem obligatorischen Bürgertrunk und Bürgervesper auf Kosten der Gemeinde geschlossen. 1732 musste der Bürgermeister (= Rechner) von Sandweier die Summe von 2 fl. 34 x als Ausgabenposten verbuchen, die bei der Wahl „einer neuen Hebamm“ von Pfarrer, Schultheiß, den Gerichtsleuten und „anderen Weibern“ verzehrt worden waren.

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