Die alten Glasmalerei-Fenster der Marienkapelle am Friedhof in Sandweier
Die alten Glasmalerei-Fenster der Marienkapelle am Friedhof in Sandweier
Eine Dokumentation von Karl Bruckner †
I. Die Marienkapelle am Friedhof in Sandweier
Die Kapelle und ihre alten Glasmalereifenster
Der Fund nach jahrzehntelangem Verschwundensein
II. Der Glasmaler Eugen Börner aus Offenburg
Die Glasmalerei
Eugen Börners Lebens- und Schaffenswerk
III. Die sechs alten Kapellenfenster
Allgemeine Bemerkungen
Der hl. Josef
Die hl. Walburga
Die hl. Katharina von Alexandrien
Der sel. Bernhard von Baden
Der hl. Maximilian von Cilli
Der hl. Franz von Assisi
IV. Pfarrer Freiherr Rinck von Baldenstein
V. Die wichtigsten Spender
V I. Ausbau und Restauration der Fenster
VII. Zusammenfassung
V III. Quellennachweis Archive, Literatur, Bilder
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Vorwort des Autors:
Wer sich wie ich nun seit Jahrzehnten mit Heimatgeschichte und den damit zusammenhängenden Einzelbereichen beschäftigt, wird ganz selbstverständlich immer wieder Probleme finden, die der Forschung und Aufklärung bedürfen. Vor neun Jahren wurde das Heimatbuch Sandweier der Öffentlichkeit übergeben. Es konnte nicht alle für unsere Bevölkerung, interessanten Sachgebiete in ausführlicher Form erfassen. In der Zwischenzeit haben sowohl Guido Müller als auch ich in den Jahresrückblicken der Ortsverwaltung Sandweier manches berichtet, was als Ergänzung des Heimatbuches gedacht war und auch wohl so besehen werden kann. Auch das hier vorliegende Büchlein ist sicher als eine solche zu betrachten. Zugleich aber dürfte es ebenso ein Hinweis sein auf das inzwischen in Sandweier eingerichtete Heimatmuseum und zu einem Besuch desselben anregen. Hoffentlich erreicht es neben der historischen Berichterstattung auch den Zweck, etwas mehr Verständnis für einige dort gezeigte recht interessante und wertvolle Exponate – nicht nur im sakralen Bereich – zu wecken. Das wünscht sich der Autor, der ja auch an der Verwirklichung des Museums maßgeblich mitgewirkt hat, von Herzen.
Karl Bruckner †
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I.
Sowohl im Heimatbuch als auch in der Festschrift zum 150jährigen Jubiläum der Sandweierer Kirche wurde in einem verhältnismäßig kurzen Abschnitt über die in den Jahren 1888 bis 1890 erbaute „Kapelle auf dem Gottesacker“ berichtet. Dabei wurde das im neugotischen Stil gestaltete Kirchlein als ein bauliches „Kleinod“ in unserer Gemeinde bezeichnet. Die unter dem damaligen Pfarrherrn von Sandweier, Freiherr Maximilian Rinck von Baldenstein, vom Freiburger Architekten Carl Hörth geplante Friedhofskapelle erhielt anläßlich der erteilten Baugenehmigung mit Schreiben vom 27. April 1888 Nr. 8031 vom „Großherzoglich Badischen Bezirks-Amt Baden“ als Schlußsatz des Genehmigungsschreibens folgende Bemerkung: „ Wir müssen das schöne Bauwerk, welches dem Friedhofe zur Zierde gereichen wird, mit Befriedigung begrüßen „.
Man konnte schon damals und kann auch heute noch stolz sein auf dieses wirklich gelungene Werk, das nur geschaffen werden konnte mit Hilfe zahlreicher Spenden, besonders derer der Schwestern Elisabeth und Justina Burkart, Vorfahren der Sandweierer Familie Schroedter.
In den erwähnten Berichten ist auch festgehalten, daß in der Kapelle Glasmalereifenster eingebaut waren, die dann im Jahre 1940 nach Beginn des 2. Weltkrieges unter dem damaligen Pfarrer Emil Meier entfernt wurden. Zwei Gründe mögen diesen Geistlichen dazu bewogen haben: Sandweier lag als grenznaher Ort in dem Bereich, der mit einer Beschießung durch die französische Artillerie rechnen mußte – was später auch erfolgte – und so wollte Pfarrer Meier wohl die schönen Fenster vor Zerstörung bewahren. Er hatte aber auch die Kapelle, die ursprünglich zu Ehren der „Schmerzhaften Muttergottes“ gebaut war, als begeisterter Anhänger der Schönstattbewegung nun der „dreimal wunderbaren Gottesmutter von Schönstatt“ umgewidmet und das Dorf ihrem Schutze anvertraut. In diesem Zusammenhang wurde die vorhandene Pieta über dem Altar entfernt und ein entsprechendes Bild angebracht.
Dazu waren die alten Glasmalereifenster nicht unbedingt passend. Die Kapelle sollte lichtvoller werden und man baute helle einfache Kathedralglasfenster ein. Die ursprünglichen Fenster wurden verpackt und so verwahrt, daß sie über Jahrzehnte hinweg nicht mehr auffindbar waren. Pfarrer Josef Keller, von 1977 bis 1985 hier Pfarrherr, ließ dann neue Glasmalereifenster, die zur nach wie vor der Schönstatt-Muttergottes gewidmeten Kapelle paßten, einbauen. Auch hier waren wieder hochherzige Spender gefragt, wie man heute an den Fenstern registrieren kann.
Der Fund nach jahrzehntelangem Verschwundensein
Doch wo waren wohl die alten Fenster geblieben? Als wir vor rund 10 Jahren an unserem Heimatbuch arbeiteten und es dann 1988 der Öffentlichkeit übergaben, galten sie immer noch als nicht entdeckt. Heute wissen wir, daß zumindest Wendelin Klumpp von ihrer Existenz auf dem Speicher des Pfarrhauses wußte und dies auch seinerzeit Pfarrer Keller mitgeteilt hatte, als bekannt wurde, daß neue Fenster in die Friedhofskapelle eingebaut werden sollten. Da diese damals jedoch bereits in Auftrag gegeben worden waren, wurde dem Hinweis keine weitere Beachtung geschenkt. Erst bei der umfangreichen Renovation des Pfarrhauses von Sandweier bei einem Pfarrerwechsel im Jahre 1990 wurde unter dem Dach tatsächlich eine lange schmale Kiste gefunden, in der in Stroh verpackt sich die sechs Fenster der Friedhofskapelle befanden. Dieser Fund überraschte uns alle.
Der neue Pfarrer Klaus Vornberger, der inzwischen sein Amt angetreten hatte, verständigte den Heimatverein, der in diesen Monaten die Errichtung eines Heimatmuseums im Jagdhaus vorbereitete. Dabei war auch im Zusammenhang mit der Tatsache, daß unser Dorf Wallfahrtsort zur hl. Walburga ist, die Ausstellung sakraler Exponate vorgesehen. Der vom Heimatverein am 22.05.1992 dazu gebildete Museumsausschuß unter Leitung des Autors dieser Dokumentation hatte sich daher sowohl mit dem kath. Pfarramt als auch in besonderer Weise mit dem Landesamt für Museumsbetreuung, damals noch in Tübingen, heute in Stuttgart, in Verbindung gesetzt.
Am 15. März 1993 besuchten das damals für unseren Bereich zuständige Mitglied der Landesstelle Frau Maria Förster M.A. und der Chefrestaurator des Landesmuseums Herr Pitzen unser im Aufbau befindliches Museum und besichtigten dabei die auf dein Speicher des Pfarrhauses lagernden Glasmalereifenster der Friedhofskapelle. Leider mußte bei allen sechs sonst sehr gut erhaltenen Fenstern ein frappierender Lagerschaden festgestellt werden. Da sie in der Kiste der Länge nach senkrecht eingebettet in Stroh eingelagert worden waren, hatten sich alle durch ihr Eigengewicht in etwa 8 – 10 cm Breite verbogen, viele Bleifassungen gebrochen und natürlich auch zahlreiche farbige Glasscheiben zerstört. Die Vertreter der Landesstelle befürworteten eine sorgfältige Restauration, die den ursprünglichen Zustand erhalten und die vorhandene Verkrümmung beheben sollte. Eine Bezuschussung der Restaurationskosten bis zu 40 % von seiten des Landes wäre möglich und wurde im Hinblick auf den besonderen Wert der Fenster zuerst unverbindlich zugesagt. Ein entsprechender Antrag des Heimatvereins ist dann später auch erfolgt und der Zusage gemäß erledigt worden. Auf die Beschreibung einzelner Fenster soll jetzt noch nicht eingegangen werden. Nur sei hier schon vermerkt, daß sie in sehr plastischer Form den hl. Josef, die hl. Walburga, die hl. Katharina, den hl. Franz von Assisi, den hl. Maximilian und den sel. Bernhard von Baden darstellen.
II. Der Glasmaler Eugen Börner
Die Glasmalerei
Die noch vorhandenen Unterlagen im Archiv des kath. Pfarramtes Sandweier weisen nach, daß der Glasmaler Eugen Börner in Offenburg der Schöpfer dieser wohl einmalig schönen Fenster war. Offenburg war in jener Zeit ein Zentrum der Glasmalerei im süddeutschen Raum. Dieses Kunsthandwerk war schon im Mittelalter bekannt, vor allem im kirchlichen Bereich. Die großen im gotischen Stil erbauten Dome und Kirchen hatten und haben herrliche Glasmalereifenster, die vielerorts noch heute zu bewundern sind. Die nachfolgenden Bau- und Kunststile der Renaissance, des Barock und Rokoko ließen keine den Innenraum verdunkelnden Glasmalerei-Fenster mehr zu, so daß dieses Kunsthandwerk mehr als 200 Jahre in Vergessenheit geriet. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts und im 19. Jahrhundert entdeckte man wieder die Wertschätzung dieser mittelalterlichen Kunst. Man errichtete Bauten im neugotischen Stil – auch unsere kleine Friedhofskapelle gehört dazu – und damit wurde die antike Glasmalerei wiederbelebt. Es entstanden Glasmalereimanufakturen in ganz Deutschland, und in den sog. Kunstgewerbeschulen wurde dieses alte Handwerk zu neuer Blüte gebracht. Nicht nur kirchliche sondern auch profane Gebäude erhielten aus Gründen der Repräsentation Glasmalereifenster. Die Anzahl der entsprechenden Betriebe nahm bis zur Jahrhundertwende bzw. zum 1. Weltkrieg ständig zu.
Eugen Börners Lebens- und Schaffenswerk
Doch nun zu der Künstler, der unsere alten Friedhofskapellen-Fenster fertigte.
Eugen Börner stammte aus Opitz bei Erfurt, am 27. November 1855 geboren. Als äußerst talentierter Zeichner und Maler konnte er in den 70er Jahren seine künstlerische Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in München vollenden. Vom Jahre 1878 – 1879 absolvierte er eine einjährige Lehrzeit bei der Firma Geck und Vittali in Offenburg, ging dann für einige Jahre als Teilhaber zur Firma Helmle und Merzweiler in Freiburg und 1883 wieder zurück nach Offenburg zur Glasmalerei Adolf Schell. „Dieses Unternehmen war glücklich einen so tüchtigen Mitarbeiter gefunden zu haben“, heißt es in einem Artikel der „Ortenauer Rundschau“ vom 23.11.1935 im Blick auf seinen bevorstehenden 80. Geburtstag. Tatsächlich häuften sich für diese Firma die Aufträge, vor allem für badische Kirchen.
So wagte Börner fünf Jahre später, also 1888, den bedeutenden Schritt, sich selbständig zu machen. Sein Name, seine Arbeiten waren inzwischen so bekannt geworden, daß es ihm in der Folgezeit nicht an Aufträgen mangelte. Zu den ersten, die er als selbständiger Glasmaler erhielt, dürften wohl die sechs Fenster der Sandweierer Friedhofskapelle zählen, denn am 16. Oktober 1888 legte er dem kath. Pfarramt hier eine Kostenberechnung für die Fenster vor.
„Alles in feinster Ausführung in den feinsten Antik – und Chadedralgläsern samt Lieferung der Karton (= Entwürfe der Verf.) fertig eingesetzt per Stück Mark 160,-.x 6 = Mark 960,-„.
Schon am 27.10.1888 konnte der für den Kapellenbau verantwortliche Architekt C. Hördt aus Freiburg an Pfarrer Freiherr Rinck von Baldenstein u.a. berichten:
„Letzten Mittwoch war ich geschäftlich in Offenburg und habe bei dieser Gelegenheit auch die Arbeit bei Glasmaler Börner besichtigt. Derselbe hat alle Cartons bis auf einen ferti,g dieselben sind in der Zeichnung sehr gut und geschickt in den Raum componiert und versprechen hiernach die Fenster sehr hübsch zu werden. „
Da Eugen Börner schon am 8. April 1889 seine Rechnung schreibt, die allerdings erst am 31. August 1889 vom Architekt für richtig befunden wurde, dürfte der Künstler sehr rasch und trotzdem einwandfrei gearbeitet haben. In der schon einmal angeführten Würdigung seiner Persönlichkeit wird Börner als fleißiger, strebsamer, vielseitiger und unternehmerischer Mensch geschildert, der bis ins hohe Alter aktiv tätig war.
Im übrigen sind Glasmalereifenster von Eugen Börner in nächster Umgebung, so in den Kirchen in Sinzheim, in Kappelrodeck, in der St. Bernharduskirche in Karlsruhe usw. zu finden, aber auch in Frankfurt, Koblenz, Mainz, sogar in St. Louis in den Vereinigten Staaten befinden sich Werke aus seiner Schaffenszeit.
Ja, unsere alten Kirchenfenster aus der Friedhofskapelle verdanken ihre Entstehung schon einem bedeutenden Kunsthandwerker. Im übrigen beschäftigte sich dieser Mann, der 1942, sechs von acht Kindern hinterlassend, die er mit seiner aus Mahlberg stammenden Ehefrau erzogen hatte, starb, nicht nur mit Glasmalerei, sondern gründete zusammen mit dem Besitzer der Hirschapotheke Dr. Silber 1902 die Offenburger Glasmosaik GmbH, die dann 10 Jahre später in die „Fresko-Schmelz- und Mosaikwerke Offenburg“ übergingen. Börner hatte dazu ein eigenes Verfahren erfunden, das er sich patentieren ließ. Der mehr als bescheiden geschilderte Künstler wird im schon angeführten Bericht der Ortenauer Rundschau als der Nestor der Offenburger Glasindustrie bezeichnet. Das Handwerk der Glasmalerei selbst und seine Techniken hier zu schildern, würde zu weit führen. Börner beherrschte alle Arbeitsweisen, die schon im Mittelalter bekannt waren, die Kontur-, Überzugs- Lind Silbergelbmalerei. Unsere alten Kapellenfenster sind ein hervorragender Beweis dafür. Zum Schluß dieser Ausführungen über Eugen Börner darf noch erwähnt werden, daß er mit den Fenstern der kath. Pfarrkirche in Sasbach bei Achern im Jahre 1901 bei der Deutschen Glasmalereiausstellung in Karlsruhe die „Goldene Medaille“ erhielt.
III. Unsere sechs alten Kapellen-Fenster