Noch heute fließt das wundersame Öl

KNA Südwestdeutscher Dienst 42 / Dienstag, 8. Mai 90 

Noch heute fließt das wundersame Öl
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In Sandweier wird die heilige Walburga seit 500 Jahren verehrt

Sandweier/Baden-Baden, 7.5.90 (KNA) Alljährlich ist die Walburga-Kapelle in Sandweier am ersten Maisonntag Ziel zahlreicher Wallfahrer aus dem ganzen mittelbadischen Raum. In diesem Jahr begeht die Gemeinde das 500. Jubiläum der Wallfahrt zu der im süddeutschen Raum vielfach verehrten heiligen Walburga, die in einer Urkunde aus dem Jahr 1490 erstmals als Kirchenpatronin von Sandweier erwähnt ist.

Die Pfarrei Sandweier besitzt zwei Reliqien der Heiligen. Eine davon, urkundllich belegt, wurde ihr erst 1792 zugeteilt, während die ältere schon viel früher hierher gelangte. Sicher ist lediglich, daß in einem Dekret Bischof Alberts von Straßburg vom 9. Februar 1490 der damaligen Diözesangeistlichkeit der Auftrag erteilt wurde, die der St. Brigittenkirche in Iffezheim und der „Capella S. Walburgis ville Santvyler“ von den „römischen Kardinälen“ bewilligten Ablaßbriefe zu veröffentlichen.

Daß die 710 in Südengland geborene heilige Walburga schon im Mittelalter im süddeutschen Raum bis hinein ins Elsaß verehrt wurde, belegen zumindest zwei Ereignisse. Der im elsässischen Eglisheim geborene Papst Leo IX. weihte schon im Jahr 1054 in Straßburg eine Kapelle der heiligen Walburga; und im damaligen „Heiligen Forst“, dem heutigen Hagenauer Wald im Unterelsaß, nicht weit entfernt von Sandweier, wurde 1074 ein der heiligen Walburga gewidmetes Benediktinerkloster gegründet. Von diesem Kloster aus kam die Verehrung der Heiligen nach Sandweier. Jedenfalls ist belegbar, daß der Zustrom elsässischer Wallfahrer zum Walburga-Fest in Sandweier über Jahrhunderte hinweg immer sehr groß war; auch Reformation und Dreißigjähriger Krieg konnten diesen Brauch nicht beeinträchtigen. ?m Jahre 1808 wurde jedoch die in jener Zeit rege Wallfahrt durch den Generalvikar des Bistums Konstanz, Karl von Wessenberg, aufs strengste verboten und der Gebrauch des Walburgis-Öls als Aberglaube gebrandmarkt – wohl eine Auswirkung der durch Säkularisation verursachten „Aufklärung“. Doch die Verehrung der heiligen Walburga konnte nie verhindert werden. 1883 nahm man die Austeilung des Walburgis-Öls wieder auf. Seitdem erhielt die Wallfahrt einen ungeahnten Aufschwung, das Fest der heiligen Walburga wurde das „hochfest“ der Pfarrgemeinde.

Walburga starb im Jahr 779 als Äbtissin des Klosters in Heidenheim. Etwa 100 Jahre später wurden ihre Gebeine nach Eichstätt überführt und im Jahr 1042 in einen steinernen Sarkophag umgebettet, der unter dem Hochaltar der Abteikirche seinen Platz fand. Seit dieser Zeit erscheint hier der sogenannte „Ölfluß“: In einem Hohlraum unter dem Sarg sammelt sich eine wasserhelle Flüssigkeit, die aus dem Sarginnern kommt und in vergoldeten Schalen gesammelt wird. Diese farb-, geschmack- und geruchlose Flüssigkeit soll eine wundersame Heilwirkung haben. Sie wird von den Ordensfrauen in kleine Glasfläschchen abgefüllt und an Hilfesuchende abgegeben. Auch in Sandweier ist dieses sogenannte „Walburgis-Öl“ zu erhalten. Eine plausible Begründung dieses Phänomens konnte bislang noch nicht gegeben werden. Der „Ölfluß“ tritt alljährlich ungefähr vom 12. Oktober, dem Tag der Übertragung in die heutige Grabstätte, bis etwa zum 25. Februar, dem Todestag der Heiligen, auf.

K. B.                                              

SWD-90/V/35 – FS 4.5.90 –


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